Gewöhnliche Elektronikprodukte auf Basis von Leiterplatten kommen oftmals an ihre Grenzen, je robuster die Einsatzbereiche werden. Hier kommen bereits seit über 40 Jahren Lösungen mit technischer Keramik zum Einsatz. Da die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit in der Elektronikfertigung beständig steigen, rückt vor allem die keramische Schichtschaltungstechnik vermehrt in den Fokus. Sie bietet nicht nur vielfältige und komplexe Möglichkeiten, sondern auch ständige Weiterentwicklungen.
Fast jeder Mensch kommt täglich mit Keramik in Berührung, zum Beispiel wenn er Geschirr benutzt oder zur Toilette geht. Allerdings unterscheidet sich die Alltagskeramik erheblich von der technischen Keramik, denn diese wird speziell für den jeweils vorgesehenen Einsatzzweck optimiert und hergestellt. Es ist ein wesentliches Merkmal (technischer) Keramik, dass seine Werkstoffeigenschaften vom Herstellungsprozess abhängen. Wichtige Faktoren sind dabei die Reinheit und Aufbereitung des Keramikpulvers, die Formgebung und das Brennverfahren. Dadurch unterscheidet sich Keramik von vielen anderen Werkstoffen, deren Produkteigenschaften unabhängig von der Formgebung und der Bearbeitung von vorne herein feststehen und wenig veränderlich sind (zum Beispiel Metalle). Die Herstellung anwendungsspezifischer Keramik erfordert deshalb viel Knowhow. Vereinfacht ausgedrückt, wird Keramik hergestellt, indem kristalline Pulver zusammengebacken werden, was in der Fachsprache sintern genannt wird. Es ist aber nicht nur dieser Prozess, der sehr unterschiedliche Materialeigenschaften von Keramik möglich macht. Zusätzlich können noch andere Werkstoffe beigemischt werden, um das Endprodukt in der gewünschten Weise zu beeinflussen. Grundsätzlich weist Keramik eine hohe elektrische und thermische Isolation auf, die in der Elektronikfertigung viele Vorteile bietet. Es lassen sich jedoch auch keramische Werkstoffe herstellen, die supra- oder halbleitend oder als Heizleiter geeignet sind. Im Wesentlichen wird zwischen Oxid- und Nicht-Oxid-Keramiken unterschieden.
Biegbare und hauchdünne Keramik
Technische Keramik wurde erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt, und zwar als Isolator von elektrischem Strom. Zu diesem Zweck wird technische Keramik auch heute noch häufig eingesetzt, zum Beispiel bei Zündkerzen oder Überlandstromleitungen. Das Anwendungsspektrum von technischer Keramik ist inzwischen allerdings viel breiter, auch in der Elektrik und Elektronik. Eine der häufigsten Anwendungen sind Keramik- und Hochleistungskondensatoren, aber auch halbleitende Keramik wird zum Beispiel in Sensoren verwendet. Moderne Hochleistungskeramiken unterscheiden sich sowohl in der Optik als auch in der Beschaffenheit und ihren Eigenschaften zum Teil deutlich von herkömmlicher Haushaltskeramik. Beispielsweise werden für die Mulitlayertechnik Keramiken hergestellt, die als flüssige Masse auf ein Folienband gegossen werden. Dieses „green sheet“ hat in der Regel eine Dicke zwischen 100 und 500 μm und lässt sich rollen, sehr einfach schneiden und weiterverarbeiten.
Technische Überlegenheit in vielen Bereichen
Die ganze Überlegenheit von technischer Keramik gegenüber anderen Werkstoffen zeigt sich bei integrierten Schichtschaltungen. Diese lassen sich sowohl in Kleinserien als auch für den Massenmarkt herstellen und werden in zahlreichen Bereichen eingesetzt, zum Beispiel in der Autoelektronik, der Medizintechnik, der Leistungselektronik und der Kommunikationstechnik. Integrierte Schichtschaltungen mit Keramik sind immer dann besonders gut geeignet, wenn
- die Baugruppe extremen Temperaturen (über 200 °C) oder anderen extremen Bedingungen ausgesetzt ist.
- das System unempfindlich gegen chemische Substanzen wie Säuren oder Basen sein muss.
- das System beziehungsweise die Baugruppe besonders zuverlässig sein muss.
- das Temperaturmanagement des Systems ein wichtiges Kriterium ist.
- die Baugruppe eine hohe Funktionsdichte hat.
Für die Fertigung von relativ anspruchsloser Elektronik im Low-Cost- und Consumer-Bereich kommen integrierte Schichtschaltungen aus beziehungsweise mit Keramik eher selten in Betracht. Je höher jedoch die Ansprüche an die Zuverlässigkeit bei hohen Temperaturen oder in einem anspruchsvollen Umfeld sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Keramik eine gute Alternative darstellt. Das liegt auch am inerten Verhalten dieses Werkstoffs, weil er praktisch kein Material freisetzt und biokompatibel ist.
Große Anzahl an Strukturierungsoptionen
Integrierte Schichtschaltungen bestehen aus einem organischen Träger. Das ist häufig technische Keramik, es werden aber auch Metalle verwendet. Integrierte Schichtschaltungen können auch als Hybrid angefertigt werden, indem physische Bauelemente wie Kondensatoren oder ungekapselte ICs in die Schaltung integriert werden. Im Laufe der Zeit sind eine Reihe von Verfahren entwickelt worden, um integrierte Schaltungsträger zu strukturieren. In Kombination mit herkömmlichen Techniken zur Montage von Komponenten können integrierte Schichtschaltungen in beinahe unbegrenzter Vielfalt konstruiert und hergestellt und so auf die jeweiligen Anforderungen optimiert werden. Bei besonderen Herausforderungen lohnt es sich deshalb, einen Fachmann zu Rate zu ziehen. Die wichtigsten und gängigsten Arten der Metallisierungsstrukturierung von integrierten Schichtschaltungen stellen wir im Folgenden kurz vor.
DCB – Direct Copper Bonding (auch: DBC)
Bei dieser Form der Integration wird eine dünne Kupferfolie (bis 0,6 mm), die mit Kupferoxid beschichtet ist, auf die Keramik gelegt und mit dieser durch einen Schmelzprozess bei etwa 1070 °C metallurgisch verbunden. Es sind keine zusätzlichen Verbindungsmaterialien notwendig. Mit klassischen Ätztechniken können in die Kupferoberfläche Strukturen, wie zum Beispiel Leiterbahnen und Kontaktflächen eingearbeitet werden, um Bauteile auflöten zu können. Als Alternative zum DCB gelten das AMB (Active Metal Brazing) und der TPC-Prozess (Thick Print Copper). Beim AMB wird die Kupferfolie auf die Keramik aufgelötet, während sie beim TPC als Dickdruck auf die Keramik aufgesintert wird. Nach dem DCB-Verfahren entstandene Schaltungsträger zeichnen sich durch eine besonders hohe Wärmeleitfähigkeit aus, die vor allem in der Leistungselektronik wichtig ist. Dementsprechend werden sie vor allem hier sowie in Elektrofahrzeugen und in der Solartechnik eingesetzt. Nach Angaben des ZVEI betrug der Anteil von DCB-Hybrid-Schichtschaltungen im Jahr 2016 etwa 40,5 Prozent des Gesamtmarkts und hatte damit den größten Anteil.
Dünnschichttechnik
Wie der Name bereits sagt, werden bei dieser Technik dünne Schichten unterschiedlicher Materialien auf einen Träger aufgebracht. Bei vielen Schaltungen handelt es sich dabei um technische Keramik, es können aber zum Beispiel auch Glas oder Ferrite verwendet werden. Bei den aufgebrachten Materialien handelt es sich um metallische, dielektrische oder halbleitende Werkstoffe. Üblicherweise beträgt die Dicke der Schichten von wenigen Mikro- bis zu wenigen Nanometern. Für das Abscheiden der einzelnen Schichten stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung, die zum Teil auch in der Halbleitertechnologie oder Mikrosystemtechnik verwendet werden. Unterschieden werden die physikalische Gasphasenabscheidung (PVD), wie zum Beispiel das Sputtern, das thermische Verdampfen oder das Ionenplattieren), die chemische Gasphasenabscheidung (CVD) sowie die Galvanik. Das Besondere an der Dünnschichttechnik ist, dass die aufgetragenen Schichten nachträglich strukturiert werden, das heißt es werden nicht nur durch additive Verfahren Schichten hinzugefügt, sondern es wird durch substraktive Verfahren wie dem Ätzen, der Fotolithografie oder der Laserstrahlbearbeitung, auch Material entfernt. Mit der Dünnschichttechnik lassen sich unter anderem Leitungen, Widerstände, Kondensatoren und sensorische Elemente herstellen. Laut ZVEI betrug der Anteil der Dünnschichttechnik im Jahr 2016 nur etwa sieben Prozent des Gesamtmarkts. Integrierte Schichtschaltungen, die nach diesem Verfahren hergestellt wurden, eignen sich besonders für die Herstellung von Halbleitern, in der Medizin- und Telekommunikationstechnik, der Raumfahrt, in Dünnschicht-Solarzellen und in der Sensorik.
Dickschichttechnik
Beim Dickschichtverfahren handelt es sich um eine Hybridtechnik, bei der sowohl diskrete als auch integrierte Bauelemente verwendet werden. Die Schaltungsstrukturen wie Leiterbahnen, Widerstandsschichten und andere werden als Pasten per Siebdrucktechnik auf den Träger aufgebracht. Bei diesem handelt es sich meistens um Platten aus Aluminiumoxid, also einer technischen Keramik. Jede gedruckte Ebene wird erst getrocknet und danach gebrannt, dabei verschmelzen die Pulvermischungen für Widerstände, Leiterbahnen usw. zu sehr widerstandsfähigen Schichten. Allerdings verursacht das Brennen jeder einzelnen Schicht auch thermischen Stress, weshalb mitunter mehrere Schichten übereinandergelegt und dann erst gebrannt werden. Die Schonung des Materials bezahlt man bei diesem Verfahren mit einer geringeren Prozesskontrolle, insbesondere der inneren Schichten. Auf diese Weise entsteht ein monolithischer Schaltungsträger, der anschließend in einem SMD-Prozess mit Bauelementen bestückt werden kann, die nicht drucktechnisch erzeugbar sind. Typische Strukturen, die mit der Dickschichttechnik erzeugt werden können, sind unter anderem Leitungen, Widerstände, Abschirmungen und Isolationsschichten, sensorische Elemente und in eingeschränktem Maß Kondensatoren. Der Anteil der Dickschichttechnik am Gesamtmarkt betrug nach Angaben des ZVEI im Jahr 2016 etwa 28 Prozent. Die in diesem Verfahren hergestellten integrierten Schichtschaltungen werden vor allem in der Automobil- und Leistungselektronik, in der Steuerungs- sowie der Mess- und Regeltechnik und in der Telekommunikation eingesetzt.
Multilayertechnik (LTCC/HTCC)
Um der fortschreitenden Miniaturisierung in der Elektronikfertigung gerecht zu werden, eignet sich die Multilayertechnik in besonderer Weise. In Abhängigkeit von der eingesetzten Temperatur werden das Low Temperature Cofired Ceramics-Verfahren (LTCC) mit einer Brenntemperatur von etwa 850 °C und das seltenere High Temperature Cofired Ceramics-Verfahren (HTCC) mit einer Brenntemperatur von circa 1.600 °C unterschieden. Auch beim Multilagenverfahren bilden technische Keramiken (green sheets, s. o.) die Basis. Auf sie werden die elektrischen Leiterbahnen und Elemente durch Siebdruck und fotochemische Prozesse aufgebracht. Anschließend werden die einzelnen Keramikträger strukturiert und in einer bestimmten Reihenfolge übereinandergelegt. Auf diese Weise bilden mehrere an sich zweidimensionale Keramikfolien insgesamt einen dreidimensionalen Schaltungsträger. Dieser wird noch laminiert und anschließend bei der genannten Temperatur gesintert. Multilayer können durch Dickschicht- und Galvanikprozesse bearbeitet werden, um sie mittels SMT-Technik mit Halbleiterkomponenten und passiven Bauteilen zu vervollständigen. Mit der Multilayertechnik lassen sich als Strukturen Leitungen, Abschirmungen, Widerstände, sensorische Elemente und einige mehr erzeugen. Im Jahr 2016 betrug der Anteil von LTCC-Multilayern am Gesamtmarkt nach Angaben des ZVEI rund 24,5 Prozent. Integrierte Schichtschaltungen, die nach diesem Verfahren hergestellt wurden, zeichnen sich durch hervorragende Hochfrequenzeigenschaften aus. Sie werden deshalb vor allem in der Mobilfunk- und Satellitentechnik, in Radarsystemen, der Medizintechnik und in der Automobilindustrie in Steuerungssystemen eingesetzt.
Weiterverarbeitung problemlos möglich
Ein wichtiger Aspekt beim Einsatz und der Weiterverarbeitung von integrierten Schichtschaltungen aus Keramik ist, dass sie sich mit denselben Prozesstechniken bestücken lassen wie herkömmliche PCB-Baugruppen. Auch die verwendeten SMD-Komponenten unterscheiden sich ebenso wenig wie die elektrische Kontaktierung. Auch hier können die gängigen Löt- und Klebeverfahren angewendet werden. Integrierte Schichtschaltungen aus Keramik lassen sich somit sehr einfach in den Fertigungsprozess einbinden. Schichtschaltungen auf Basis von Keramik bieten damit eine Reihe von Vorteilen gegenüber der herkömmlichen Leiterplattentechnik, zum Beispiel beim Miniaturisierungsgrad, den Einsatzmöglichkeiten und der Zuverlässigkeit. Waren diese Schaltungsträger früher erst ab gewissen Stückzahlen wirtschaftlich, liegen sie heute auch in diesem Bereich gleichauf mit der PCB-Technik oder nur unwesentlich darüber. Diese punktet allerdings nach wie vor bei der Entwicklungszeit sowie bei den Betriebskosten.
Text: Paul Nebel